Mit einem vollen Programm von sieben Spielen startet die Erima German Football League am 20. und 21. Mai in ihre 44. Saison. Gleich am ersten Spieltag kommt es dabei zu einer Neuauflage des Finales von 2022. Meister Schwäbisch Hall Unicorns erwartet ab 17 Uhr am Samstag, 20. Mai, im heimischen OPTIMA Sportpark seinen Herausforderer aus dem Oktober 2022, die Potsdam Royals. Seit dem 44:27 der Haller in Frankfurt, das ihnen den fünften deutschen Meistertitel nach 2011, 2012, 2017 und 2018 einbrachte, hat sich bei den Unicorns und in der gesamten Liga einiges getan, was im Auftaktspiel in Schwäbisch Hall ebenso wie für die gesamte Saison viel Spannung verspricht.

Neu ist zum Beispiel, dass es überhaupt zu einem Punktspiel zwischen Süd- und Nord-Meister des vergangenen Jahres kommen kann. Möglich macht dies die Wiedereinführung der Interconference-Spiele, bei denen Nord- und Süd-Teams schon in der Hauptrunde aufeinander treffen. Bis 2011 hatte es solche Vergleiche bereits in der Erima GFL gegeben, ehe mit Rücksicht auf die Belastung der Spieler die Zahl der Punktspiele auf 14 pro Team zurückgeschraubt wurde. Vermisst wurden diese Vergleiche nicht nur von vielen Fans wegen der Abwechslung im Spielplan. Auch Coaches vor allem der Spitzenteams mussten bis zum Start der Playoffs stets mächtig in die Glaskugel schauen, um den tatsächlichen Leistungsstand ihrer Teams gegenüber dem Niveau der anderen Gruppe abzuschätzen.

Als unter den Bedingungen der Corona-Pandemie ohnehin ein neues Spielplanformat mit zehn Spielen pro Team eingeführt wurde (beide Staffeln Nord und Süd sind dabei in Halbgruppen geteilt, nur innerhalb derer gibt es Hin- und Rückspiel, sonst nur einen Vergleich), bot es sich an – nun, da wieder mehr Spiele möglich sind – die Interconference-Idee erneut umzusetzen.

Am ersten Spieltag herrscht so nicht nur in Schwäbisch Hall vorgezogene Playoff-Stimmung, sondern zeitgleich am Samstag auch in Straubing, wo Vorjahres-Aufsteiger und -Viertelfinalist Straubing Spiders die New Yorker Lions, den Rekordmeister aus Braunschweig, erwartet. Tags darauf geht es in Marburg weiter, wenn die Marburg Mercenaries ab 15 Uhr die Dresden Monarchs empfangen, zwei Klubs, die sich des öfteren gegenseitig in den Playoffs im Weg standen. Zuletzt 2019, als Dresden im Viertelfinale die Hessen mit 39:22 aus dem Wettbewerb warf. Letztes Jahr waren beide trotz großer Erwartungen im Vorfeld in der Endrunde nur Zuschauer gewesen, womit vor allem die Dresdner ungewollt GFL-Geschichte schrieben: Zum ersten Mal seit 2009 schaffte es der Meister des Vorjahres wieder einmal nicht in die Playoffs.

Die Monarchs hatten 2021 ihren ersten Meistertitel stürmisch gefeiert, der Katzenjammer mit viel Verletzungspech in der Saison 2022 war dabei mit dem Ausscheiden nach den Punktspielen noch nicht überstanden. Denn nach fünf Jahren erfolgreicher Arbeit in Dresden gab Meistertrainer Ulrich Däuber sein Amt als Head Coach dort ab. In diesem Schicksal waren die Dresdner mit ihrem Nachfolger als Meister aus Schwäbisch Hall vereint: Auch Unicorns-Head-Coach Jordan Neuman verließ nach sechs Spielzeiten (und dem Corona-Pausenjahr dazwischen) die Erima GFL. Womit wir bei jenen Neuerungen sind, die möglicherweise die gravierendsten sportlichen Auswirkungen haben und insbesondere den Schwäbisch Haller Season Opener am Samstag gegen ein seit Jahren zielstrebig aufsteigendes Team aus Potsdam eine ganz besondere Note geben könnten.

Vor allem die Süd-Konkurrenten der Unicorns hoffen – nach elf Gruppensiegen der Schwäbisch Haller seit 2011 in Folge und ihrer letzten Punktspielniederlage von 2015 – auf ein stärkeres Gleichgewicht der Kräfte an der Spitze. Mit Munich Cowboys, Allgäu Comets und Straubing Spiders waren 2022 drei bayerische Teams die hartnäckigsten Verfolger der Haller. Als (Wieder-)Aufsteiger mit besonderen Ambitionen komplettieren die Ingolstadt Dukes das bayerische Erima-GFL-Quartett für 2023. Sie gastieren am Sonntag bei den ifm Razorbacks in Ravensburg, während die Allgäu Comets zu Hause gegen die Saarland Hurricanes starten. Die Comets waren mit ihrem jungen Head Coach Elias Gniffke, der inzwischen auch die Wide Receiver beim Nationalteam betreut, neben Potsdam 2022 als Halbfinalist die positive Überraschung der Saison und sind wie die Munich Cowboys (die erst im Juni eingreifen) mit Head Coach Nadine Nurasyid erste Anwärter darauf, „abzustauben“, sollte es in Schwäbisch Hall nicht mehr so geschmiert laufen wie bisher.

Schwäbisch Hall und Dresden hatten übrigens unterschiedliche Lösungen für ihren an der Spitze plötzlich verwaisten Trainerstab: Während die Sachsen in Paul Alexander auf einen 62-jährigen US-Amerikaner mit jahrzehntelanger Erfahrung aus NFL und College Football setzen, übernimmt für die Unicorns mit Christian Rothe ein langjähriger Spieler des Vereins die Hauptverantwortung. Die größte Trainerprominenz findet sich in der Erima GFL inzwischen recht geballt bei den Berlin Adlern. Head Coach Shuan Fatah und Offensive Coordinator Lee Rowland führten die Berliner nach dem zweiten Wiederaufstieg in die höchste deutsche Spielklasse auf Anhieb zurück in die Playoffs.

Vom Lokalrivalen Berlin Rebels kommen nun noch Ex-Meister-Quarterback Clifford Madison sowie Joshua Mandel neu in den Trainerstab hinzu und stehen so gleich beim ersten Spiel – das wie vor dem Adler-Abstieg und im letzten Jahr nach ihrer GFL-Rückkehr geradezu traditionell die Berliner Clubs gegeneinander führt – ihrem Ex-Team gegenüber. Nachfolger der Adler als Nord-Aufsteiger sind dieses Jahr die Paderborn Dolphins, die vor 25 Jahren bereits einmal eine – eher unglückliche – Saison im Oberhaus spielten (nachdem sie 1997 in der Relegation für den ersten Abstieg der Berlin Adler gesorgt hatten). Die Voraussetzungen diesmal sind völlig andere. Nachdem die Dolphins sich aus einer starken GFL 2 Nord als Aufsteiger herausgeschält hatten, vertreten sie nun die große NRW-Football-Tradition in der Erima GFL. Mit den Kiel Baltic Hurricanes haben sie als erste Gäste ein Team zu Gast, das von seinen großen Zeiten unter anderem mit dem Meistertitel von 2010 ein Stück weit entfernt ist. Zum Ende der letzten Saison schien man jedoch im Aufwärtstrend zu sein.

So wird man weder die Kieler noch die Paderborner, ja eigentlich gar kein Team in zwei ausgeglichen besetzten Gruppen der Erima GFL frühzeitig abschreiben müssen. Jedem Team ist zuzutrauen, einen der acht Plätze für die Playoffs, die am 24. und 25. September mit dem Viertelfinale beginnen, zu ergattern. Die Saison 2023 der Erima GFL könnte eine der spannendsten seit langem werden.

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