Mitteilung von Munich Cowboys vom 06.10.2006

Rosenberg über seine Arbeit bei den Cowboys

Nur wenige Tage blieben US-Coach John Rosenberg Zeit, um den Abstieg des Deutschen Meisters von 1993 noch zu verhindern. Zu wenig Zeit. Dennoch wäre der Misserfolg vermeidbar gewesen, sagt der Mann aus Los Angeles: „Ich kenne viele Trainer, die in dieser Saison mit den Cowboys in der GFL geblieben wären“, meint Rosenberg. Doch er betont: „Dafür brauchst du genügend Spieler!“ Beim zweiten Relegationsspiel gegen Weinheim Longhorns konnte Rosenberg, der 2002 mit Hamburg Blue Devils den German Bowl gewann, kaum mehr als zwei Dutzend Athleten einsetzen, viele davon Nachwuchsspieler. Umso mehr lobte er alle Footballer der Cowboys, die bis zum Schluss dabei blieben. Und bis auf die Knochen kämpften. „Ich bin wirklich stolz auf die Jungs“, sagt der US-Amerikaner: „Sie waren großartig, denn sie haben mit dem Herzen gespielt. Die Mannschaft hat das ganze Match über hart gearbeitet.“


Aber nicht nur der harte, körperliche Einsatz, auch die Taktik ist im American Football von herausragender Bedeutung. Wie Schachfiguren kann ein Football-Coach seine Spieler vor jedem einzelnen Spielzug neu formieren. Gegen die besser besetzten Weinheim Longhorns hat der Stratege Rosenberg ein paar neue Varianten probiert. Doch die Schachpartie stand, nach der 0:20-Niederlage im Hinspiel, schon auf Verlust. „Wir wollten die Longhorns zwar nicht austricksen aber verunsichern“, erläuterte Rosenberg seinen Plan, der bis zur Halbzeitpause aufzugehen schien. In der Not ließ der Kalifornier die Cowboys zeitweise ohne Quarterback spielen, den er mit den Tight Ends in die Offense Line stellte. „Irgendwann sind die Longhorns draufgekommen, dass einige unserer Leute auf anderen Positionen stehen. Damit konnten wir wiederum nicht umgehen.“

Zu mehr als einem kämpferischen Auftritt reichte es für die Cowboys nicht. Weil sie wieder holt geschwächt zum Rückspiel in die Kurpfalz fahren mussten. Gleich drei Abwehrspieler, die noch beim Hinspiel im Dantestadion aufliefen, fehlten. „Wir waren derart dünn besetzt, dass meine Spieler bald müde geworden sind“, sagte Rosenberg zur Ehrenrettung des Rumpfkaders. „Die Longhorns haben das natürlich gemerkt. Für uns war es ein Spiel gegen die Uhr.“ Während zur Pause ein Sieg noch möglich schien, stellte sich bald heraus, dass die Zeit den Longhorns in die Hände spielte.

Probleme des Cowboys-Teams, die seit Saisonbeginn bestehen und im Verlauf immer größer wurden, konnte der kalifornische Erfolgscoach nicht mehr beheben. Fehlerquelle Nummer eins zum Beispiel: Den mangelhaften Schutz des Ballverteilers. „Unser Quarterback hatte einfach nicht genügend Zeit, zu passen“, urteilt Rosenberg, dem Cowboys-Kader fehle eine vernünftige Offense Line. Daraus, sagt Rosenberg, resultiere Problem Nummer zwei: Ein Mangel an gefährlichem Passspiel. „Der Quarterback stand in beiden Spielen gegen die Longhorns stark unter Druck. Die meisten Bälle waren deshalb nicht gut geworfen.“ Das wiederum hatte zur Folge, dass die Wide Receiver nur wenige Bälle fingen. Rosenberg versuchte das zu beheben, indem er das Spielsystem umstellte: Aufopferungsvoll liefen mal Gary Lautenschlager, mal Dominique Kandolo, mal Jerome Morris durch die gegnerischen Reihen. Das half zeitweise, bis die Longhorns auch diese Varianten durchschauten.

Schwachstellen, die letztlich alle auf die nicht vorhandene Offense Line zurückzuführen seien, meint Rosenberg: „In den Relegationsspielen haben dort Spieler gestanden, die vorher noch nie auf dieser Position gespielt haben. Das kann so nicht funktionieren. Football ist ein Spiel, das nur dann läuft, wenn Sportler mit unterschiedlichen Geschicklichkeiten zusammenspielen. Und die Aufgaben richtig verteilt sind. Die Cowboys haben einfach nicht genügend Linemen. "

Motivationskünste helfen da auch nicht mehr. „Ein Sportler, der an einem Golfturnier teilnimmt, aber noch nie in seinem Leben Golf gespielt hat: Wie kann ich den motivieren?“, fragt Rosenberg. Das sei gerade im besonders körperbetonten Football-Sport eine schier unlösbare Aufgabe: „Du kannst nicht aus Spielern, die keine Linemen sind, Linemen machen.“ Motivation sei ein Problem für die Cowboys, sie fehle auch an anderer Stelle, meint der Coach aus den USA. „Weil viele Spieler aus München und Umgebung in dieser Saison entweder für die Rangers gespielt haben, für Erding oder andere Vereine. Sie waren nicht motiviert, für die Cowboys zu spielen – das ist eine ganz andere Art der Motivation.“

John Rosenberg wollte den Cowboys helfen in ihrer misslichen Lage. Er sprang kurzfristig ein, war auf dem Weg nach Deutschland, wollte eigentlich Play Offs und Relegationsspiele in der GFL anschauen. Natürlich hätte er gerne die German-Bowl-Finalisten Braunschweig Lions und Marburg Mercenaries verfolgt. Dass es anders kam, hat Gründe, die in seinem Lebenslauf zu finden sind. „Meine erste Station, als ich 1994 nach Europa kam, war München. Ich habe hier viele Freunde gefunden.“ Also entschloss sich Rosenberg zu einer Art Arbeitsurlaub: „Wie ein Busfahrer, der in den Urlaub fährt, den Bus aber selbst steuert.“

Der Weltenbummler, der bald seinen 60. Geburtstag feiert, macht das jedes Jahr so: Sechs oder sieben Monate lang lebt er in Los Angeles, schreibt dort für Hollywood-Produktionen und für das Fernsehen. Sehr gut bezahlte Jobs, wie er sagt. In der anderen Jahreshälfte kommt er nach Europa. Zuletzt trainierte Rosenberg italienische Spitzenklubs. In den nächsten Tagen und Wochen wird er wieder Verhandlungen mit Vereinen in Italien, Österreich, Frankreich und Spanien führen.

Ob er sich der Aufgabe stellen würde, die Cowboys zurück in die GFL zu führen? „Im Moment sind die Cowboys noch nicht soweit, die Trainerfrage für 2007 zu klären“, sagt Rosenberg. „Sie brauchen einen neuen Präsidenten und einen kompletten Vorstand – es gibt jede Menge Arbeit“ Und dennoch ist da eine gewisse Chance, dass er zurückkehrt: „In meinem Lebensabschnitt hat der Ort, an dem ich arbeite, oberste Priorität", sagt der Trainer, der sich mehr für fremde Kulturen als beispielsweise für Bundesstaaten wie Florida oder Texas interessiert. "München und die Cowboys stehen immer oben auf meiner Liste. Ganz egal, ob sie in der Ersten oder der Zweiten Bundesliga spielen."