Tag der Entscheidung: Wer löst das Ticket für den GFL Bowl 2025?

Die letzten vier stehen: Zwei Mannschaften der ERIMA GFL Süd und zwei aus dem Norden haben es ins Halbfinale geschafft. Nach einer Hauptrunde, in der nur zwei der 16 Interconference-Spiele von den Süd-Vertretern gewonnen wurden, mag dies den einen oder anderen überrascht haben. 

Doch war der Aufwärtstrend bei den ifm Razorbacks Ravensburg und den Munich Cowboys zuvor unverkennbar. Beide ergriffen die Chance des Heim-Viertelfinales beim Schopfe. Ravensburg setzte sich klar mit 42:22 gegen Kiel durch, die Münchner kämpften sich zunächst in eine Verlängerung gegen Berlin. Und in ihrem achten Spiel des Jahres, bei dem bis zum Schluss alles offen war, konnten sie auf ihre Nervenstärke bauen. Mit einer gelungenen Defense-Aktion gewannen sie sogar noch 44:31.

Etwas mehr als Nervenstärke wäre für den nächsten Schritt erforderlich. Am 27. September im Halbfinale haben die Münchner den Heimvorteil nicht mehr im Rücken, wenn sie auf Titelverteidiger Potsdam Royals treffen.Die Potsdamer ließen bei ihrem Viertelfinale gegen Schwäbisch Hall beim 42:25 von Beginn an wenig Zweifel daran, dass ihr Kurs Richtung Finale in Dresden gesetzt ist. 

Nach Anfangsschwierigkeiten der Saison mit einer Verletzung des ursprünglichen Quarterbacks sind die Potsdamer längst wieder – mindestens – auf dem Niveau, das ihnen 2023 und 2024 die Titel brachte. Mit Xeavier Bullock und Kenyatte Allen ist man doppelt abgesichert für die entscheidende Phase, beide Quarterbacks bekamen im Viertelfinale gegen Hall die Gelegenheit, sich erneut auszuzeichnen. Und die Top-Verteidigung der Liga ließ sich nur zu Beginn der ersten und der zweiten Hälfte von den Unicorns ein wenig überrumpeln, ansonsten hatte sie die Lage unter Kontrolle.

Während die Konkurrenz staunend und mit etwas Neid beobachtet, wie die Potsdamer binnen weniger Jahre quasi aus dem Nichts zum Maßstab für den deutschen American Football geworden sind, beklagten sie selbst vor den Playoffs einmal mehr die nicht immer spürbare Wertschätzung in der eigenen Stadt. Potsdam hat eine lange Tradition als Sport-Hochburg, die Royals müssten derzeit eigentlich das „liebste Kind“ von Entscheidungsträgern in dieser Hinsicht sein – fühlen sich mit ihrem Engagement aber manchmal etwas allein gelassen.

Sportlich wird dies den Cowboys nicht helfen. Die Münchner kommen mit einer der Top-Kombinationen der Liga von Quarterback Zachary Whitehead und Receiver Gabe Boccella nach Potsdam. Ihre Defense hielt sie oft im Rennen, und die letzten sechs bis zum Schluss umkämpften Partien gewannen sie immer. Ob es ihnen aber gelingen wird, in Potsdam das Spiel lange offen zu halten? 

Für den Meister von 1993 ist es das erste Halbfinale seit 24 Jahren – auswärts gewonnen hat das Gründungsmitglied der Liga in beinahe einem halben Jahrhundert noch kein Playoff-Spiel. Aber gemessen daran, dass man in München einen langfristigen Plan verfolgt, ist man diese Saison so oder so bereits jetzt im Soll. Zu verlieren hat man nichts – und vielleicht fragt man ja in Düsseldorf bei einem anderen Urgestein der Liga nach, wie man es anstellt, in Potsdam zu gewinnen. Die Panther hatten in der Hauptrunde dort ja verblüfft.

Müsste man ein Team der ERIMA GFL nennen, das zwischen Mai und September die steilste Lernkurve hingelegt hat, kommen sicherlich die ifm Razorbacks Ravensburg in den Sinn. Lohn der Mühe: Nicht nur Platz eins in der umkämpften ERIMA GFL Süd, sondern nun auch der erste Playoff-Sieg und ein zweites Heimspiel mit der Chance, es bis ins Finale zu schaffen.

Gegner im Halbfinale am Samstag sind die Dresden Monarchs, vor zehn Wochen in der Hauptrunde dort 49:33-Sieger. Da waren die Ravensburger Gastgeber im zweiten Viertel eine Zeitlang nicht konzentriert genug – dem Rückstand lief man vergeblich hinterher. Aber auch daraus will man gelernt haben, und einen gleichen Gegner ein zweites Mal in einer Saison auswärts zu besiegen, ist im American Football keine zu unterschätzende Aufgabe. Die Erkenntnisse, die Coaches aus einer Niederlage ziehen, sind tendenziell wertvoller als die nach einem Sieg.

Die Favoritenrolle wird der Gegner aus Sachsen dennoch nicht leugnen können. Als Vizemeister des Vorjahres und mit der Aussicht auf das Finale in der eigenen Stadt muss dies ja der Anspruch sein. Beide Mannschaften glänzen bei den „Numbers“ offensiv. Mit 505 Punkten in der Hauptrunde waren die Dresdener die Nummer eins der Liga, die Ravensburger mit 432 insgesamt Dritter und im Süden mit deutlichem Abstand vorn. Für die Monarchs spielt mit Quarterback Justin Miller, Receiver Tylor Hudson und Running Back Tofunmi Lala das Top-Dreigestirn der Liga.

Ravensburg setzt mit Broghean McGovern (Nummer zwei nach Yards hinter Miller), 1000-Yard-Receiver Anthony Harris im Gespann mit Tim Müller sowie dem Dauer(b)renner Lennies McFerren deren Pendant der Süd-Liga dagegen. Nur spielen alle Genannten ja nicht direkt gegeneinander. Den Dresdenern nutzt ihr statistischer Vorteil rein gar nichts, wenn Ravensburg Defense wieder über sich hinauswächst. Ben Rashid hatte allein im Viertelfinale vier Quarterback Sacks, davor in der Hauptrunde zehn, und die meisten Interceptions als Team hatten die ifm Razorbacks auch noch.

Sie dürften darauf setzen, einen wilden Schlagabtausch der Offenses zu vermeiden, denn da wären die Gäste in ihrem Element. Den Rückhalt einer lauten Kulisse wird man haben, für den Gegner gibt es zusätzlichen Druck, weil man in der Heimat natürlich voraussetzt, dass es ein Heim-Finale geben wird. Alles in allem: beste Voraussetzungen für ein packendes Playoff-Spiel.

Eine dritte Partie gibt es am Samstag in Hamburg – das Rückspiel der Relegation zur ERIMA GFL Nord. Im Hinspiel in Paderborn letzte Woche sah es eine Hälfte lang danach aus, als könnte dies eine Hamburger Aufstiegsparty werden. Doch die Paderborn Dolphins drehten nach der Pause auf, gewannen sogar noch hoch 38:14. Vieles ist möglich, aber da müsste schon sehr viel richtig laufen für die Hamburg Pioneers, wenn sie dies noch umdrehen wollen.