Ein Spiel in unglaublicher Manier im letzten Viertel noch gedreht, die Tabellenführung der Süd-Gruppe erobert: Die ifm Razorbacks Ravensburg lieferten am letzten Wochenende ein begeisterndes Beispiel dafür, was American Football und die ERIMA GFL so faszinierend macht. Doch Ausruhen auf ihrem 42:35-Comeback-Sieg gegen die Allgäu Comets können sich die Ravensburger nicht. Am Samstag sind sie Gäste bei einer der vier Interconference-Partien des Wochenendes, beim deutschen Meister Potsdam Royals.
Die Favoritenrolle müssen sie dabei nicht schultern. Die Potsdamer sind jedoch doppelt gewarnt. Ihre einzige Saisonniederlage gegen Düsseldorf kam ebenfalls völlig unerwartet, in der Vorbereitung auf ihren kommenden Gegner können sie noch einmal im Videomaterial bestaunen, wie Siegeswille Berge versetzen kann. Gerade dann, wenn der Gegner schon nicht mehr damit rechnet.
Mit ihrem Passangriff um Quarterback Broghean McGovern und mit Running Back Lennies McFerren sind die ifm Razorbacks in der Lage, ein Angriffsspiel aufzuziehen, das dem der Potsdamer gar nicht so unähnlich ist. Wenn es einmal hakt, wie lange Zeit letzte Woche, kann aber auch die Verteidigung die Impulse liefern, die es zum Sieg braucht.
Das Gleiche trifft auf die Potsdamer erst recht zu, ihre Verteidigung ließ in dieser Saison mit Abstand die wenigsten Punkte zu. Drei Mal zu null und weitere vier Male mit maximal einem Gegen-Touchdown gewannen die Royals fast immer souverän. Da dürfte es für die Ravensburger schwer werden, wie in all ihren Spielen bisher über die 20-Punkte-Marke zu kommen – geschweige denn einen „Shootout“ mit dem Meister zu gewinnen. Zumal sie über rund 700 Kilometer anzureisen haben – was an einem heißen Sommer-GFL-Reisewochenendes allerdings nicht einmal der Spitzenwert ist.
Die Potsdamer haben nichts zu verschenken. Wegen ihres Patzers gegen Düsseldorf sind sie nur der Verfolger der ungeschlagenen Dresden Monarchs. Da man in Potsdam nicht davon ausgehen dürfte, dass die Monarchs in ihren beiden letzten Auswärtsspielen in Nordrhein-Westfalen straucheln werden (obwohl sie diesen Samstag bei Royals-Bezwinger Düsseldorf Panther nach rund 600 Kilometern Anfahrt auf der Hut sein müssen), heißt dies, dass der Titelverteidiger sich keine weitere Niederlage erlauben darf, will er noch auf Rang eins in der ERIMA GFL Nord kommen. Ohne Niederlage allerdings gilt: Ein Mal ist kein Mal – am letzten Spieltag entscheidet dann nämlich das direkte Duell der beiden in Dresden über den Gruppensieg.
Die Dresden Monarchs haben ihr Heimspiel im Viertelfinale schon sicher, den Fokus verlieren dürfen sie deswegen aber noch lange nicht. Bei den Düsseldorf Panthern trifft man auf einen Gegner, der sein primäres Saisonziel ebenfalls schon erreicht hat: Nach dem 28:24 gegen die Paderborn Dolphins ist man vor der Relegation sicher. Eine Überraschung gegen Dresden wie in Potsdam brächte die Rheinländer vielleicht noch für die Playoffs ins Gespräch – aber letztlich können die Panther nun einfach befreit aufspielen.
Leidtragende sind die Paderborn Dolphins. Sie benötigen am Sonntag dringend den Sieg gegen die Straubing Spiders im Duell der Tabellenletzten, wollen sie den Relegationsspielen gegen den Meister der GFL 2 Nord noch entgehen. Mindestens ein weiterer Sieg wäre danach noch nötig, aber die Chance gegen die Spiders aus dem 600 Kilometer entfernten Straubing ist erst einmal am greifbarsten. Für die Spiders war nach einem Auftaktsieg gegen Ravensburg nichts mehr zu holen. Da es dieses Jahr keinen Absteiger aus der ERIMA GFL Süd geben wird, können sie allerdings ganz in Ruhe schon die Weichen für 2026 stellen und weiter am Teamgerüst feilen.
So weit dürfte man bei den Allgäu Comets noch nicht sein. Das Opfer des Husarenstücks der Ravensburger hat mit fünf Partien die meisten aller Teams der Liga noch vor sich. Die fünf Niederlagen bisher sind auch nicht mehr als bei den Schwäbisch Hall Unicorns – Rang vier ist immer noch aus eigener Kraft in Reichweite. Profilieren müssten sich die Comets aber in ihren Duellen gegen Niedersachsens ERIMA-GFL-Nord-Teams: später vielleicht in Braunschweig und vor allem diesen Samstag im heimischen Illerstadion, wenn die Hildesheim Invaders nach rund 600 Kilometern Anfahrt ihre Gäste sind.
Die Hildesheimer haben ihre Erwartungen an die Saison nicht ganz erfüllen können. Knappe Niederlagen gegen Kiel, Düsseldorf und Paderborn haben den Weg ins Viertelfinale wohl verbaut, abgesehen von einer verwegenen Kalkulation mit drei Siegen aus den letzten Spielen und passenden Resultaten anderswo. Im Verhältnis dazu ist eher die Gefahr größer, dass Paderborn noch herankommt. Egal wie: Die Hildesheimer können sich eigentlich keine Niederlage in Kempten erlauben.
Noch deutlich weiter als die Hildesheimer haben es mit fast 900 Kilometern die Kiel Baltic Hurricanes nach Bayern. In München warten die Munich Cowboys, die sich Chancen ausrechnen, mit einem Sieg den Ravensburgern die Tabellenführung wieder abzujagen. Es wäre einerseits nur eine Momentaufnahme, andererseits aber im Hinblick auf die Abschlusstabelle ebenfalls von Bedeutung: Jeder Sieg in einem Interconference-Spiel kann in der ERIMA GFL Süd mit ihrem dichten Feld an der Spitze der entscheidende Bonus sein.
Umgekehrt dürfen sich die Kieler aus entgegengesetzten Gründen die Niederlage im Dantestadion nicht leisten. Nach Braunschweigs Sieg gegen Berlin ist ihr eigener Erfolg gegen die New Yorker Lions sportlich erst recht aller Ehren wert. Für die Tabellensituation der Kieler war’s weniger schön: Darauf setzen, dass Braunschweig gegen Potsdam nicht gewinnen wird, mag man in Kiel ja schon. Aber selbst dann müssten die Baltic Hurricanes jetzt alle ihre Spiele gewinnen, um ihren Playoff-Einzug in die eigene Hand nehmen zu können.