Die Hälfte aller Spiele in der ERIMA GFL 2024 ist absolviert, Deutschland rüstet für die Sommerferien. Nicht so die Teams der deutschen Bundesliga im American Football: Für sie geht es in die heißesten Wochen des Jahres im Rennen um die Playoffs. Ein klares Statement zu seinen Ambitionen hat letzte Woche Titelverteidiger Potsdam Royals mit dem deutlichen Sieg in der Final-Revanche gegen die Schwäbisch Hall Unicorns abgegeben. Doch bis zum 12. Oktober, an dem im Essener Stadion an der Hafenstraße im ERIMA GFL Bowl die Entscheidung um die Meisterschaft 2024 fällt, ist noch vieles drin.

Die erste Chance zur Wiedergutmachung bekommen die Unicorns am 20. Juli in Völklingen. Gastgeber Saarland Hurricanes hat dort allerdings selbst einiges gutzumachen. Zu Beginn der Saison hatte der Unicorns-Bezwinger und Tabellendritte des Vorjahres bei anderen Playoff-Teams der letzten Saison in Berlin und Kempten Führungen ins letzte Spielviertel genommen und war dennoch beide Male gescheitert. Nach einem Sieg gegen Ravensburg schien alles ins Lot zu kommen – doch bis zur Saisonmitte blieb dies der einzige Erfolg.

Drei weitere Niederlagen haben die Saarländer ans Tabellenende zurückgeworfen. Vor allem defensiv (39 Gegenpunkte pro Spiel) lief es nicht. Da half es wenig, dass Quarterback Andrew Brito und Receiver/Returner Spencer Corona ihr Handwerk verstehen. Corona hat schon zehn Touchdown-Pässe gefangen, ihn werden die Unicorns-Verteidiger besser als im Hinspiel in den Griff bekommen müssen. Die Defense des Süd-Abonnements-Champions steht selbst nicht so sicher wie früher, in Potsdam wurden ihr die Grenzen deutlich aufgezeigt.

Das Hinspiel (50:28 für Schwäbisch Hall) war ein Beispiel dafür, wie wenig die Höhe des Resultats im American Football widerspiegelt, wie der eigentliche Spielverlauf war. Beide Offenses beendeten in der ersten Hälfte im Wechsel alle ihre Angriffsserien mit Touchdowns. Die Saarländer patzten nur wegen eines Fumbles direkt vor der Goal Line und direkt vor der Pause einmal. Schwäbisch Hall begann danach im Angriff, punktete weiter, während die Hurricanes mit zwei Interceptions den Anschluss verloren. Statt Aufholjagd gab es die deutliche Niederlage – für’s Rückspiel lässt sich daraus aber keine klare Favoritenrolle für die Gäste ableiten.

Dies ist in Berlin wohl ein bisschen anders. Auch im Norden spielt einer der Co-Tabellenletzten sein Rückspiel gegen den Tabellenführer. Die Berlin Rebels kehren mit der Partie gegen Meister Potsdam Royals nach vier Auswärtsspielen in Folge zurück in ihre reguläre Heimat, das Mommsenstadion, in das anlässlich der Fußball-EM rund drei Millionen Euro vor allem in die Rasenfläche investiert wurden. Letztlich fanden zwar so gut wie gar keine Trainings der EM-Fußballer dort statt, die Rebels mussten dennoch die letzten Spielwochen auf Reisen verbringen.

Hoffnung macht ihnen, dass so nun vier der letzten sechs Partien Heimspiele sein werden. Gegen die übermächtigen Potsdamer kaum, aber insgesamt kann man sich so noch etwas ausrechnen. Der Blick der Rebels wird weniger aufs eigene Scoreboard gerichtet werden, sondern auf die weiteren Partien, die am Samstag zeitgleich in der ERIMA GFL über die Bühne gehen.

So richtig gute Nachrichten werden die Berliner aus Braunschweig allerdings nicht empfangen. Egal wer das Aufeinandertreffen von New Yorker Lions und Kiel Baltic Hurricanes gewinnt – es wirft die Rebels noch ein Stück mehr zurück. Braunschweig hat bereits einen Sieg mehr auf dem Konto als die Rebels, gegen Kiel verloren sie auswärts den direkten Vergleich.

Am ersten Spieltag hatten die Kieler im Mai im Hinspiel gegen die New Yorker Lions das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Außer dem Auftaktsieg und dem Erfolg gegen die Rebels kam bisher aber nichts Zählbares hinzu. Der Rekordmeister aus Braunschweig hat sich dagegen erkennbar von seinem Fehlstart erholt und dies Ende Juni mit einem 35:7-Sieg in Paderborn gegen den anderen seiner überraschenden Stolpersteine vom Saisonstart unmissverständlich klar gemacht.

Die Braunschweiger haben in der zweiten Saisonhälfte außer gegen Kiel noch alle ihre Heimspiele gegen das derzeitige Führungstrio der ERIMA GFL Nord vor sich. Dresden, Potsdam und Hildesheim müssen alle noch an die Hamburger Straße. Wie bei den New Yorker Lions üblich, erwartet sie dort ein für die Rückrunde noch einmal gezielt verstärktes und immer besser aufeinander eingespieltes Team. Rang eins mag außer Reichweite sein, aber ein Heimspiel im Viertelfinale als Gruppenzweiter bleibt für den Rekordmeister ein denkbares Ziel.

Umso wichtiger wird es für die Hildesheim Invaders, dass es im zweiten Interconference-Spiel der Niedersachsen für sie wieder ein Happy-End gibt. Die Voraussetzungen sind nicht besser als vor dem erst nach Verlängerung gewonnenen Heimspiel gegen die ifm Razorbacks Ravensburg: Schließlich geht es an einem staugefährdeten Ferienwochenende in zwei Etappen am Freitag und Samstag über rund 600 Autobahn- und 100 Bundesstraßen-Kilometer zu Mitaufsteiger Kirchdorf Wildcats.

Dort wartet eine Defense, die sich auch gegen ausgeruhte Gegner einigen Respekt in der ERIMA GFL verschafft hat. In ihren ersten beiden Interconference-Spielen gegen Rebels und New Yorker Lions oder auch in Ravensburg stellten sich die Angreifer der Wildcats mit frühen Ballverlusten selbst ein Bein. Zudem kassiert das Team insgesamt mit im Schnitt über acht gelben Flaggen pro Spiel die zweitmeisten der Liga und ist im Angriff in der Red Zone auf den letzten 20 Yards seltener erfolgreich als alle anderen.

Nur beim bisher einzigen Sieg der Kirchdorfer gegen die Munich Cowboys konnte die Verteidigung dies kompensieren. Aber es sind Dinge, die schnell einmal ganz anders laufen können. Die Hildesheimer, die ihren bisherigen Erfolg darauf gründen, dass der Angriff um Quarterback Nelson Hughes im Zweifel mehr Yards macht (über 450 pro Spiel), als die eigene Defense erlaubt (über 400), wollen dank der Rückkehr von Cornerback Alex Knight und Defensive Tackle Sahan Kilic ins Aufgebot und mit dem dänischen Neuzugang Defensive End Tobias Borregaard ihre Verteidigung stabiler machen. Einfache Spiele gibt es in der ERIMA GFL aber nicht – das haben die Hildesheimer ja schon gegen Ravensburg erlebt.

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